Die Entstehungsgeschichte des Seelengartens

 – Gestaltung – Die Seelengärtner – Das Irische Hochkreuz -
Eine Einladung zum Lesen, Sich vertiefen, Schauen

 

Die Gestaltung

Der Gestaltung des Seelengartens liegt eine Vision des Propheten Ezechiel zugrunde. Dieser beschreibt den neuen heiligen Tempel so, dass aus einer Quelle in der Mitte sich Wasserströme in alle vier Himmelsrichtungen ergießen und zu den vier Toren hinaus fließen. Und das Wasser bringt Heil und Fruchtbarkeit in das Land ringsum. (Ez 47, 1 – 12)

Vorläufer des Seelengartens war ein westfälischer Bauerngarten mit quadratischem Grundriss, der in Kreuzform angelegt war. Der Gestaltungswunsch von P. Ludolf war es, dass der Garten ringsum von Mauern umgeben sein sollte, mit gemauerten Toren an allen vier Seiten. Als bestimmendes Element wurde ein großer Brunnen in der Mitte aufgemauert mit einem irischen Hochkreuz als Mittelpunkt. Und aus der Mittelsäule sollten vier Wasserausläufe symbolisch das Wasser in alle vier Richtungen in die Brunnenschale ergießen.

    

F 8 Kreuz

F 9 Wasserfall Seelengarten

F 10 Wasser Seelengarten

 F 11 Brunnen Seelengarten neuFoto: © Benediktshof Münster

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Seelengärtner

Pater Ludolf sammelte um sich eine Gruppe von Menschen, die diese Idee des Seelengartens mit ihm teilte: Lisa, Silvia, Horst, Mia und Benjamin. Sie kamen zusammen zum geistlichen Austausch, zum Gebet und zur praktischen Arbeit. In den Anfangsjahren war es Lisa Stegemann aus Gescher, die mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung im Gärtnern die Regie übernahm.
Ein wunderbarer Garten mit einer üppigen Vegetation entstand. Über die Jahre hin hat sich diese bunte Vielfalt weiterentwickelt. Aus verschiedenen persönlichen Gründen konnte nach dem Tod von P. Ludolf diese Arbeit nicht mehr von allen in der Gruppe fortgesetzt werden. Dankenswerter Weise haben Silvia und Siroos Karimi die Pflege des Seelengarten ganz in ihr Herz und ihre Hand genommen.

 

Das irische Hochkreuz   

Dr. Hans-Joachim Tambour

 

F 12 HochkreuzFoto: © Benediktshof Münster                         

Im Seelengarten des Benediktshofes steht im Brunnen ein Hochkreuz. Es ist ein ungewöhnlicher Ort, der zum Nachsinnen anregt. Mich erinnert das Kreuz an die biblische Geschichte, in der Jesus der Samariterin am Brunnen Wasser des Lebens verheißt. Aber auch an die alttestamentliche Erzählung vom Felsen in der Wüste, aus dem Mose das Wasser zum Fließen brachte, ein Motiv, das oft in Verbindung gebracht wird mit dem Bericht, dass aus der Seitenwunde Jesu am Kreuz Blut und Wasser flossen – für die Kirchenväter ein Symbol für Taufe und Eucharistie, die aus dem Herzen Jesu fließen und uns mit ihm verbinden.

Hochkreuze findet man in Irland und Schottland; sie sind ein Symbol für die keltisch-christliche Spiritualität der Gälen, die Körper und Seele, Erde und Himmel, Natur und Geist in einer Einheit sehen. Um dem tieferen Sinngehalt dieses Kunstwerks auf die Spur zu kommen, ist es nötig, es zu entschlüsseln. Der Ursprung der Hochkreuze liegt im Neolithikum. Die Bauern der Steinzeit markierten mit Menhiren oder Steinkreisen, wie Stonehenge, Kraftorte der Natur. Es waren religiöse Orte. An diesen Steinen versammelten sie sich zu rituellen Feiern. Auch der Bibel ist dieser Brauch nicht unbekannt. Josua z.B. bezeichnet die Stelle, an der das Volk Israel über den Jordan zog und das verheißene Land betrat, mit einem Steinkreis; oder Jakob markierte in Bethel den Ort, an dem ihm Gott im Traum begegnet war, mit einem Stein. Menhire und Steinkreise dienten als astronomische Kalender. Ihre Stellung zeigt den Sonnenlauf an und markiert die Winter- oder Sommersonnenwende. Die Steine repräsentieren in ihrer Elementarität die Erde. Ihre Ausrichtung verweist auf den Himmel. In den Steinen kommen so die natürlichen Abläufe des Lebens und ihre kosmische Einbindung in den umfassenderen Horizont zusammen. Dieses Erbe der neolithischen Steinsetzungen blieb in den verschiedenen Kulturen Irlands lebendig. Zunächst übernahmen die keltischen Einwanderer die Spiritualität der Steine; als das Christentum auf die Insel kam, verknüpften die nun getauften Kelten die Inspiration der Naturreligion mit dem Evangelium. Das lässt sich archäologisch nachweisen. Im Steinkreuz am Gallarus Oratorium auf der Halbinsel Dingle z.B. findet sich die einfachste Form eines Hochkreuzes. Auf einen standing stone wurde ein Kreuz eingraviert.

 

F 13 Kreuz Gallarus Oratorium

 Die alte Kultur wurde also nicht zerstört und durch eine neue ersetzt, sondern aufgenommen und neu gedeutet. Der Stein wurde getauft. Im Laufe der Zeit entstand nach und nach aus dem Stein die Kreuzform, die dann durch ein Sonnenrad ergänzt wurde. Eine ganz einfache Form findet sich z.B. in Glendalough, dem Kloster des Heiligen Kevin.

 

F 14 Kevins Cross Glendalough

 

Das Sonnenrad, das für den zyklischen Lauf der Natur steht, löste sich im Laufe der Geschichte immer mehr von der Kreuzesform; Verzierungen auf dem Schaft tauchen auf. Schließlich ist das Kreuz bedeckt mit biblischen Geschichten wie in Monasterboice, Clonmacnoise oder Kells.

 

F 15 Kreuz Clonmacnoise

Szenen aus dem AT werden Szenen aus dem NT gegenübergestellt – ein typologisches Verfahren, das man auch bei den Kirchenvätern findet. Im Hochkreuz verdichtet sich die Spiritualität der keltischen Christen, die sich aus drei Elementen zusammensetzt: die Symbole der Naturreligion, der neolithische Menhir und das Sonnensymbol der Kelten. Die Kreuzform, in der Vertikale und Horizontale in einem Schnittpunkt zusammenkommen, steht zum anderen für die Verbindung von Himmel und Erde und die Manifestation bzw. Inkarnation des unfassbaren Geheimnisses in irdenem Gefäß. Für uns Christen geschieht das in besonderer Weise in Jesus. In seinem Leben, seiner Botschaft, seiner Mystik wird offenbar, wie Gott zu uns Menschen steht. Die biblischen Szenen schließlich, die die späten Hochkreuze zieren, deuten den Weg an, wie wir mit Gott in Verbindung kommen. In der Betrachtung des Lebens Jesu öffnet sich das Herz für die Gegenwart Gottes in allem.
Die Weisheit der Naturreligion und das Evangelium, Erdung und Mystik sind nicht voneinander zu trennen – dafür stehen die Hochkreuze Irlands.

Dr. Hans-Joachim Tambour, Frankfurt Theologe und Berater, Studienleiter der Akademie St. Paul e.V. www.Systemische-Exerzitien.de Auf meinen “Spirituellen Reisen” nach Irland und Schottland gehen wir den Spuren der keltischen Christen nach. Die nächste Reise vom 19. – 28. Juli 2021 führt uns in den Süden und Westen Irlands. Gerne sende ich weitere Information: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! // 06192-2006020

 

F 6 SeelengartenFoto: © Benediktshof Münster